15.12.2021 | Allgemein Seite 72-73 in Ausgabe 12/2021-01/2022

Baustellenverbot im Baurecht

Häufig kommt es vor, dass es zur Eskalation auf der Baustelle kommt. Gern wird dann durch den Auftraggeber ein Baustellenverbot ausgesprochen. Der Auftraggeber will dann keine Gespräche mehr führen und verweist den Auftragnehmer von der Baustelle.
Jetzt sollte der Auftragnehmer seine Rechte kennen. Es stellt sich nämlich hier die Frage, wie ein solches Baustellenverbot rechtlich einzuordnen ist.
Meist ist es so, dass entweder der Schlüssel zur Baustellentür zurückverlangt wird oder ein Schlösseraustausch durch den Auftraggeber erfolgt. Aber stellt solch eine Handlung durch den Auftraggeber eine Kündigung dar?
Für Altverträge vor dem 1. Januar 2018 gibt es eine Entscheidung des OLG -Koblenz vom 2. November 2017, die besagt, dass allein in dem Austausch der Schlösser am Bauobjekt keine Vertragskündigung gesehen werden kann. Dies stellt lediglich eine Unterbrechung der Bauarbeiten dar.
Mit der Änderung des Werkvertragsrechts zum 1. Januar 2018 bedarf die Kündigung des Bauvertrags der schriftlichen Form. Dies ergibt sich aus § 650h BGB. Diese Schriftformerfordernis ist zwingend. Wird die Schriftform nicht eingehalten, hat dies die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge (§ 125 BGB). Dasselbe gilt auch für den VOB-Vertrag. Hier ist bei beiden Vertragstypen, ob BGB- oder VOB-Vertrag, eine Kündigung immer schriftlich auszusprechen. Nur dann liegt eine Kündigung vor. Dies ist in der Baupraxis unbekannt. Anwälte, die sich nicht mit dem Baurecht beschäftigen, haben das nicht auf dem Schirm. Mithin gilt, dass der Auftragnehmer bei Verweigerung des Zutritts zur Baustelle keinesfalls von einer Kündigung des Bauvertrags ausgehen kann, solange er keine schriftliche Kündigung erhalten hat. Also bleibt der Bauvertrag mit seinen Rechten und Pflichten bestehen und aktiv.
Viele Auftragnehmer als auch Auftraggeber sind der Meinung, dass mit dem Baustellenverbot alles gesagt ist und der Bauvertrag beendet ist.
Ein solches Baustellenverbot ist in tatsächlicher Hinsicht erst mal eine Unterbrechung der Bauarbeiten. In rechtlicher Hinsicht stellt ein solches Baustellenverbot einen Annahmeverzug durch den Auftraggeber dar.
Wie soll der Auftragnehmer hierauf reagieren? Auf jeden Fall sollte er dieses Baustellenverbot nicht einfach hinnehmen und abwarten. Vielmehr ist angezeigt, dass der Auftragnehmer hier selbst tätig werden muss und dem Auftraggeber schriftlich mitteilt, dass er bereit ist, die Arbeiten fortzuführen. Dies ist notwendig, um in einem möglichen Rechtsstreit dem Gericht aufzuzeigen, dass man alle notwendigen Schritte unternommen hat, um seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Darüber hinaus kommt es auch durch das Angebot der Fortführung der weiteren Arbeiten zu einer Haftungsverlagerung bei möglichem Eintritt der zufälligen Verschlechterung oder dem Untergang der Bauleistungen des Auftragnehmers. Das hat der Auftraggeber dann allein zu verantworten, da er sich in Annahmeverzug befindet. Der Auftragnehmer haftet dann nicht mehr.
Als Auftragnehmer sollte man jedoch nicht einfach die Hände in den Schoß legen und die Dinge laufen lassen. Das ist im Baurecht immer schlecht. Wenn der Auftraggeber nicht reagiert oder schreibt, dass das Baustellenverbot aufrechterhalten bleibt, so sollte der Auftragnehmer auf jeden Fall nochmals tätig werden. Er sollte seine vertraglichen Arbeiten nochmals anbieten und gleichzeitig auf den fortbestehenden Annahmeverzug hinweisen.
Der Auftraggeber kann das zunächst ausgesprochene Baustellenverbot jederzeit wieder aufheben. Gern berufen sich die Auftragnehmer darauf, dass ein Baustellenverbot ausgesprochen wurde und sie deshalb nicht tätig werden konnten. Nimmt der Auftraggeber jedoch das Baustellenverbot zurück, ist der Auftragnehmer verpflichtet, seine vertraglichen Leistungen fortzuführen.
In der Baupraxis ist auch eine andere Fallkonstellation anzutreffen, und zwar, dass nach wirksamer Kündigung ein Baustellenverbot ausgesprochen wird. Jetzt stellt sich die Frage, wie der Auftragnehmer hierauf reagieren soll.
Die Kündigung stellt die Beendigung des Bauvertrags dar, sodass der Auftragnehmer seine Schlussrechnung erstellen kann. Gleichzeitig sollte er die Abnahme beantragen und auch ein gemeinsames Aufmaß fordern, da er dies zur Abrechnung benötigt. Damit wird auch gleichzeitig eine klare Schnittstelle zum nachfolgenden Unternehmen geschaffen, das die Arbeiten fortsetzt. Damit hat der Auftragnehmer erst einmal alles getan.
Weiter ist fraglich, ob der Auftragnehmer auch nach Kündigung berechtigt oder verpflichtet bleibt, Mängel zu beseitigen. Dies ist den Parteien in der Baupraxis meistens nicht klar, und hier im Besonderen den Auftraggebern. Das kann dann dem Auftragnehmer zum Vorteil gereichen.
Ständige Rechtsprechung des BGH ist, dass auch nach der Kündigung des Auftragnehmers dieser grundsätzlich verpflichtet ist, Mängel an dem von ihm bis zur Kündigung erstellten Werk zu beseitigen. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer grundsätzlich auch nach einer Kündigung Gelegenheit geben muss, Mängel der erbrachten Leistung zu beseitigen.
Nachstehend ein lehrreicher Fall des OLG Naumburg vom 3. September 2008, der aufzeigt, wie man es als Auftraggeber lieber nicht machen sollte.
Der Auftraggeber kündigt dem Auftragnehmer berechtigt, weil der Auftragnehmer die Fortführung der Arbeiten verweigert, und spricht zugleich ein Baustellenverbot aus. Der Auftragnehmer erstellt seine Schlussrechnung, die der Auftraggeber nicht bezahlt. Der Auftraggeber lässt Mängel durch ein Nachfolgeunternehmen beseitigen, ohne den Auftragnehmer unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert zu haben. Der Auftragnehmer geht hin und klagt seinen Schlussrechnungsbetrag ein.
Einheitliche Rechtsprechung ist es, dass der Auftraggeber sich gegenüber dem Werklohnverlangen des Auftragnehmers nach Kündigung nicht auf Mängel berufen kann, die er beseitigen ließ, ohne dem Auftragnehmer nach Kündigung Gelegenheit zur Mängelbeseitigung zu geben. In diesem Fall muss er den vollen Werklohn zahlen, ohne Kürzungen für Mängelbeseitigungskosten vornehmen zu können.
Mithin hat der Auftragnehmer Glück gehabt. Jedoch soll an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen werden, dass der Auftraggeber von sich aus jederzeit das Baustellenverbot aufheben und zur Mängelbeseitigung auffordern kann. Allein mit einer Mängelbeseitigungsaufforderung gibt er zu erkennen, dass er bereit ist, das Betreten der Baustelle zur Mängelbeseitigung zuzulassen. Der Auftragnehmer bleibt demnach zur Nacherfüllung verpflichtet.
Hier muss man sich klarmachen, dass mit Ausspruch eines Baustellenverbots der Auftraggeber die Annahme der Mängelbeseitigungsarbeiten des Auftragnehmers vorerst ablehnt. Diese Ablehnung führt aber allenfalls zu einem Annahmeverzug des Auftraggebers mit der Folge von
Haftungserleichterungen zugunsten des Auftragnehmers. Ein Annahmeverzug führt jedoch nicht zu einem Entfall der Mängelbeseitigungspflicht des Auftragnehmers.
Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn die Mängel bereits der Kündigungsgrund waren. Dann ist der Auftraggeber nicht mehr gehalten, dem Auftragnehmer nochmals eine Gelegenheit zur Mängelbeseitigung zu geben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach der Kündigung neue Mängel in Erscheinung treten, die noch nicht Gegenstand der Kündigung waren. Dann hat der Auftraggeber in dem Fall den Auftragnehmer auch nach Kündigung zur Mängelbeseitigung gerade wegen dieser neuen Mängel aufzufordern.
Deshalb gilt: Aufgepasst beim Baustellenverbot!

Carsten Seeger

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