22.10.2023 | Fachthemen Seite 70-73 in Ausgabe 6/2023

Flooright: Gerüche aus dem Fußboden – häufig Anlass von Konflikten und Beschwerden

Neben der Feuchteproblematik sind Geruchsbeanstandungen die häufigsten Anlässe von Reklamationen in der Fußbodenbranche. Bei den Auseinandersetzungen um Gerüche stehen häufig vor allem Emotionen und nicht die Fakten im Mittelpunkt. Bei nahezu allen Geruchsreklamationen vermuten Bauherrn und Nutzer, dass die Ursache für die auftretenden Gerüche den neu verlegten Bodenbelägen bzw. dem Parkett und den Verlegewerkstoffen zuzuordnen ist. Die Hersteller des Bodenbelags, des Parketts und der Verlegewerkstoffe sind dann in der Regel gleichzeitig »Angeklagter« und »Gutachter«. Man erwartet von ­ihnen die Aufklärung der Geruchsursache unabhängig davon, ob er verantwortlich gemacht werden kann oder nicht. Die Erwartungshaltung der Bauherrn, Planer, Architekten und Vermieter lautet dann häufig, den neu verlegten Oberbelag und die Verlegewerkstoffe zu entfernen und eine Neuverlegung durchzuführen, auch wenn die Ursache nicht geklärt ist. Die vorschnelle Schlussfolgerung, dass Emissionen aus den Oberbelägen und/oder den Ver­legewerkstoffen zu Geruchsbelästigungen führen, ist eindeutig abzulehnen.

Aus der Fachliteratur und den vorliegenden Erfahrungen kann man zur Geruchsproblematik aus Fußböden folgende Aussagen treffen. Diese Aussagen er­heben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stoßen sicher auf manchen Widerspruch:

• Keiner unserer Sinne ist so nah an ­unsere Gefühle gebunden wie der Geruchssinn.

• Als Emission bezeichnet man die Abgabe gasförmiger, flüssiger und staubförmiger Stoffe aus Materialien und Anlagen. Von Immissionen spricht man, wenn diese Emissionen in die Umwelt (Luft, Erde, Wasser) eindringen.

• Jeder Geruch ist die Folge einer Emission. Nicht jede Emission führt zwangsläufig zu einem Geruch.

• Jede Geruchswahrnehmung ist subjektiv und wird individuell beurteilt. Was einer nicht bemerkt, empfindet ein anderer schon als »Gestank«. ­Geruchsintensive Stoffe können schon in geringster, nicht messbarer Kon­zen­tration riechbar sein, man spricht hier von einer niedrigen Geruchsschwelle.

• Verbindliche konzentrationsbezogene Grenz- und Richtwerte für Geruchsstoffe liegen nicht vor.

• Das Auftreten von Gerüchen ist zwar eine Belästigung, von den Gerüchen muss aber keine Gefahr ausgehen.

• Geruchsbelästigungen können Stress hervorrufen.

• Raumluftanalysen tragen im Reklamationsfall sehr häufig nur in geringem Umfang zur Aufklärung der Ursachen bei.

• Die Nase ist für viele Gerüche empfindlicher als Analysegeräte.

• Viele Menschen können gut riechen, doch den meisten gelingt es nicht, diese Gerüche auch beim Namen zu nennen. Die häufigsten Bezeichnungen für Gerüche sind beispiels­weise »chemisch«, »muffig«, ranzig«, »mandelartig«, »teerartig«, »süßlich«, »seifig«, »nach Teppichboden«, »PVC-Geruch«, »totes Tier« oder »schmutzige Wäsche«.

• Geruchsbeanstandungen treten zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Verlegung von Bodenbelägen, Parkett und Beschichtungen auf. Gerüche, die fünf Jahre und später nach der Verlegung der Oberbeläge reklamiert werden, sind in der Regel sehr fragwürdig, aber durchaus möglich.

• Geruchsaktive Stoffe wandern im ­Laufe der Zeit aus einem Material aus und lagern sich in anderen Materialien an. Man spricht hier von einem Se­kundär-Depoteffekt. Diese geruchs­intensiven Stoffe treten dann durch dif­fu­sions­offene Teppichböden oder durch die Stöße und Randfugen bei elastischen Bodenbelägen aus. Beispielhaft hierfür ist das aus alter unbesandeter DDR-Dachpappe austretende Naphtalien, das teilweise erst nach Jahren als teerartiger Geruch wahr­genommen wird. Diese Dachpappe wurde in zu DDR-Zeiten errichteten Gebäuden auf die neuen Rohbeton­decken als Feuchtesperre eingebaut.

• Bei der Ursachenfindung von Ge­rüchen unterscheidet man potenzielle Emissionsquellen von auslösenden Faktoren. Potenzielle Emissionsquellen können vom Boden, der Decke und den Wänden ausgehen und somit ­beispielsweise Deckenverkleidungen, Trockenwände, Farben, Tapeten, Bodenbeläge, Klebstoffe, aber auch ­Einrichtungsgegenstände wie Möbel, Kopierer, Gardinen usw. sein. Aus­lösende Faktoren sind beispielsweise Feuchtigkeit, Temperatur, Verarbeitungsfehler usw.

• Im Reklamationsfall sollte großer Wert darauf gelegt werden, dass nur Insti­tute bzw. Sachverständige bestellt werden, die über sehr gute Kenntnisse und viel Erfahrung bei der Quellen­suche von Gerüchen und Emissionen verfügen.

• Zur Feststellung und Bewertung von Gerüchen werden in erster Linie folgende Möglichkeiten praktiziert:    
– Messungen der Innenraumluft und Auswertung im Labor
– Sensorische Verfahren nach der Schweizer Norm SNV 195 651
– Emissionskammerprüfungen

• Eine Vorprüfung kann mit einfachen Einweck- oder Schraubdeckelgläsern ausgeführt werden. Jeweils eine etwa gleichgroße Probe, zum Beispiel Belag trocken, Belag angefeuchtet, Belag mit Klebstoff frisch, Belag mit Klebstoff getrocknet usw., wird im geschlossenen Glas bei Raumtemperatur über Nacht aufbewahrt und dann geprüft.

Bei Geruchsreklamationen im Fußbodenbereich stehen in der Regel folgende Schwerpunkte im Mittelpunkt:

Materialspezifische Eigengerüche

Im BEB-Merkblatt »Beurteilen und Vorbereiten von Untergründen« wird im Punkt Raumklima/Raumluft unter anderem ausgeführt: »Materialspezifische Eigengerüche können nach der Verlegung unabhängig vom Raumklima auftreten.« Materialspezifische Eigengerüche müssen vom Bauherrn/Nutzer hingenommen werden, sofern sie nicht auffällig störend über einen längeren Zeitraum auftreten. Die materialspezifischen Eigengerüche sind durch richtiges Lüften zu beseitigen. Linoleum beispielsweise hat immer einen Neugeruch nach Leinöl.

Die Bodenbeläge und Verlegewerkstoffe der neuen Generation haben in der Regel unauffällige Eigengerüche. Der Parkett- und Bodenleger ist auf der sicheren Seite, wenn er »EC1«- bzw. »EC1 plus«- und mit dem »Blauen Engel« zertifizierte Ver­lege­werk­stoffe verwendet. Flammschutzmittel könnten bei intensiven Gerüchen aus Bodenbelägen Ursache für Geruchsbelästigungen sein.

Übrigens, die mehr oder weniger inten­siven Neu- und Eigengerüche im Innenraum von neuen Pkw werden von den Kunden in der Regel als völlig normal empfunden, hier gibt es keine Beanstandungen, im Gegenteil, ein neuer Pkw muss auch »neu« riechen.

Falsches Lüften

Richtiges Lüften gehört zur ersten Basisempfehlung bei der Bearbeitung von Geruchsreklamationen. Gezieltes, regelmäßiges Stoßlüften mit kompletten, schnellen Luftwechseln, beispielsweise im Abstand von zwei bis drei Stunden, ist wesentlich effektiver als unkontrolliertes Dauerlüften. Im Winter muss die Belüftung mit einer entsprechenden Be­heizung unterstützt werden.

In der Fachinformation von Dr. Ing. Künzel »Richtiges Heizen und Lüften« vom Fraunhofer IRB Verlag Stuttgart werden Maßnahmen beschrieben, wie Schäden und Geruchsbelästigungen durch rich­tiges Heizungs- und Lüftungsverhalten vermieden werden.

Bei einem Raumvolumen von 40 bis 80 m³ sollten die Luftwechselraten 0,25 bis 0,50 pro Stunde betragen. In Arbeitsstätten ist bei einem Raumvolumen von 30 m³ pro Person eine Luftwechselrate von mindestens 0,75 pro Stunde erforderlich. Empfohlen wird in der Regel eine Luftwechselrate von 0,8 bis 1 pro Stunde. In Arbeitsstätten und in Privathaushalten wird meistens nur eine Luftwechselrate von 0,1 bis 0,3 erreicht.

Wenn längere Zeit nach einer Neu­­­verlegung nicht bzw. nicht ausreichend gelüftet wurde, können sich die Neu­gerüche besonders in Teppichböden festsetzen und zu sehr unangenehmen und permanent einwirkenden Gerüchen führen. Hier kann die Geruchsbelästigung nur durch eine Neuverlegung beseitigt werden. In der Baupraxis gibt es dazu leider immer wieder Negativbeispiele, die häufig zu sehr kontroversen Auseinandersetzungen zwischen Bauherrn/Mietern sowie Parkett- und Bodenlegern führen.

Um Schimmelpilzbildung zu vermeiden, werden von den Sachverständigen pro Tag mindestens vier Stoßlüftungen von ca. 15-minütiger Dauer vorgeschlagen.

Altuntergründe

Im Kommentar zur DIN 18365 »Bodenbelagarbeiten« heißt es zur Verlegung von Bodenbelägen auf Altuntergründe unter anderem: »Alte und genutzte Bodenbeläge sowie Rückstände von Klebstoffen und Spachtelschichten sind als Verlegeuntergrund immer problematisch. Wenn eine Verlegung auf diesen Untergründen erfolgen soll, sind be­sondere Maßnahmen erforderlich, zum Beispiel mechanisches Entfernen loser und schwach haftender Klebstoff- und Spachtelmassenschichten. Das Gewährleistungsrisiko für auf Anordnung des Auftraggebers verbleibende Restschichten (zum Beispiel alte Klebstoffreste) am Untergrund darf nicht beim Auftragnehmer liegen. Beim Verbleib ­alter Klebstoff- und Spachtelmassenschichten besteht neben Haftungsproblemen unter anderem auch das Risiko von Emissionen und/oder Geruchsbildung. Durch eventuell auftretende chemische Wechselwirkungen zwischen Altuntergrund und Neuaufbau können teilweise sehr unangenehme Geruchsbelästigungen entstehen. Zudem kann es zu Haftungsproblemen zwischen den aufzubringenden Materialien kommen. Um den Altuntergrund richtig zu bewerten, muss deshalb bauseitig eine Dokumentation der vorliegenden Schichten vorgelegt bzw. eine umfangreiche Ana­lyse veranlasst werden. Dafür hat der Auftraggeber Sorge zu tragen. Bei geplanter Nutzungsänderung ist auch die Tragfähigkeit des zu belegenden Untergrundes durch den Auftraggeber/Planer neu zu bewerten.«

Emissionen bei Altuntergründen stammen häufig aus alten Baustoffen und Baumaterialien. Die Ursache für diese Emissionen können nur durch umfangreiche Untersuchungen ermittelt werden. Hier können auch planerische Probleme eine Rolle spielen. Werden bereits vor der Ausführung von Parkett- und Bodenbelagsarbeiten sogenannte »Modergerüche« bei alten erdberührten Fuß­boden­konstruktionen oder alten Kellern festgestellt, sollte der Parkett- und Bodenleger in jedem Fall Bedenken an­melden und seiner Hinweispflicht nachkommen.

Bei der Verlegung/Klebung von neuen Bodenbelägen auf alte, festsitzende Boden­beläge müssen die alten Boden­be­läge intensiv grundgereinigt werden, ansonsten kann es hier zu Wechselwirkungen mit den alten Reinigungsmitteln und dem neuen Klebstoff kommen, in deren Folge intensive Gerüche auftreten können.

Wenn neue Oberbeläge direkt mit einem neuen Klebstoff auf alte Klebstoffreste geklebt werden, ist eine Geruchsreklamation vorprogrammiert. Weitere Folgen sind außerdem:
• Ausdünstungen
• durch Wassereinschluss auftretende Blasen und Beulen
• keine dauerhafte Stuhlrolleneignung.

Um einen saugfähigen Untergrund für die Neuverlegung zu erzielen, Geruchsbelästigungen sowie Blasen und Beulenbildung zu verhindern, müssen die Altkleber mindestens 2 mm dick überspachtelt werden. Die Spachteldicke darf aber 5 mm nicht überschreiten. Ansonsten kann es aufgrund der geringen Trocknungsspannungen der Spachtelmasse zu Ablösungen in der »Schwachstelle« alter Klebstoff kommen. Die ­größte Sicherheit stellt das Absperren der alten Kleberreste durch eine geeignete Reaktionsharzgrundierung dar. Sulfitablaugekleberreste müssen zwingend mit Reaktionsharzgrundierungen abgesperrt werden, ansonsten kann es zu sehr unangenehmen Gerüchen aus dem Untergrund kommen, wie die Erfahrungen immer wieder gezeigt haben.

Feuchtigkeit und Wärme

Es ist allgemein bekannt, dass besonders Feuchtigkeit und Wärme Geruchsentwicklungen fördern. Neubauten müssen heutzutage schnell fertiggestellt und übergeben werden. Durch die schnellen und dichten Bauweisen werden die Gebäude häufig nahezu »hermetisch« abgeriegelt und dadurch viel mehr Feuchtigkeit in den Gebäuden eingeschlossen
als das früher der Fall war. Werden die Räume in diesen Neubauten besonders anfangs unregelmäßig oder gar nicht gelüftet, sind in der Regel unangenehme Geruchsentwicklungen als auch Schimmelbildung die Folge.
Feuchtigkeitssensible Textilbeläge können beispielsweise durch die hohen ­Auftragsmengen von Dispersionsklebstoffen als Emissionsquellen auftreten. Besonders bei Woll- und Tier­haar­texti­lien können durch erhöhte Feuchte unangenehme Gerüche entstehen. Höhere thermische Belastungen, wie intensive Sonneneinstrahlung, führen beispielsweise bei Teppichböden mit einem bestimmten Latexschaumrücken zur kunststoffartigen/gummiähnlichen Geruchsentwicklung.

Ein wichtiger Faktor für die in der Raumluft auftretenden Konzentrationen ist die Durchlässigkeit der geklebten Beläge.
Je dichter ein Belag ist, umso weniger flüchtige Bestandteile werden aus dem Klebstoff in die Raumluft gelangen können.

Länger auf die Fußbodenkonstruktion einwirkende Feuchtigkeit kann Gerüche hervorrufen. Beispielhaft ist hier das 2-Ethyl-1-hexanol zu nennen. Länger einwirkende alkalische Feuchte führt zur Freisetzung von erheblichen Mengen an 2-Ethyl-1-hexanol aus dem Dispersionsklebstoff. Das 2-Ethyl-1-hexanol löst einen intensiv stechenden, sehr unangenehmen Geruch aus.

Ursachen für die permanent einwirkende Feuchtigkeit können sein:

• Der Untergrund besaß nicht die erforderliche Ausgleichsfeuchte, war zum Zeitpunkt der Verlegung noch zu feucht.

• Die auf zementäre Untergründe auf­getragene Reaktionsharz-Sperrgrundierung wurde nicht fachgerecht (beispielsweise nicht ausreichend dick) aufgebracht.

• In neuen schwimmenden Estrichen, verlegt auf neue Betondecken oder Betonbodenplatten, wurde keine Trennlage (beispielsweise zwei Lagen PE-Folie als Dampfbremse) unterhalb der Dämmung eingebaut.

• In der alten erdberührten Fußbodenkonstruktion fehlen die Abdichtungen gegen Feuchtigkeit oder sind nicht mehr voll funktionsfähig. Hier sind die Chancen auf eine permanente Geruchsbelästigung am größten.

Fazit

Geruchsreklamationen sind immer pro­ble­matisch, weil jeder Gerüche anders wahrnimmt und beurteilt. Jede Geruchswahrnehmung ist subjektiv und in­divi­duell verschieden. Die Ursachenfindung ist stark erschwert, weil Gerüche messtechnisch schlecht erfassbar sind.

Neugerüche von Bodenbelägen gelten nicht als Geruchsbeanstandung. Rich­tiges Lüften beseitigt in der Regel die Neugerüche innerhalb kürzester Zeit. Es kann davon ausgegangen werden, dass Verlegewerkstoffe und Bodenbeläge heutzutage einen höheren Standard und deshalb weniger Emissions- und Geruchsverhalten aufweisen, als dies früher der Fall war.

Wolfram Steinhäuser

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