22.08.2023 | Boden / Zubehör Seite 48-51 in Ausgabe 5/2023

Hamelner Teppichwerke: 140 Jahre gelebte Vision – ein guter Grund zum Feiern

Mit einem großen Feuerwerk am denkmalgeschützten Klütturm, Wahrzeichen von Hameln, haben die Hamelner Teppichwerke das 140-jährige Bestehen von Vorwerk flooring ge­feiert. Vor zahlreich geladenen Kunden und Lieferanten gaben die Geschäftsführer Tobias Arnold und Martin Multhaupt einen Rückblick auf die traditionsreiche Firmengeschichte.
Die Barmer Teppichfabrik Vorwerk & Co. wurde am 21. April 1883 von Carl (1847 bis 1907) und Adolf Vorwerk (1853 bis 1925) gegründet. Neue Ideen umzusetzen und neue Märkte zu erschließen war ihnen eine Herausforderung. Internationale Absatzmärkte und Produktionstechniken eignete man sich durch den Erwerb spezialisierter Unternehmen an.
Hochwertige Teppiche wurden zu dieser Zeit nur in England hergestellt. Carl Vorwerk, von der Teppichherstellung fasziniert, war entschlossen, der eng­lischen Importware ein einheimisches Qualitätsprodukt entgegenzusetzen. Er bewies unternehmerischen Mut, kaufte englische Teppichwebstühle, stellte englische Weber und Meister ein und ließ eigene Weber in England ausbilden. Die industrielle Teppichherstellung in Deutschland war damit geboren.
Von Anfang an legte Vorwerk dabei besonderen Wert auf beste Qualität. Gleichzeitig investierte man in innovative Technik und machte sich mit exklusiven Designs über die Grenzen Deutschlands hinaus einen Namen.
Carl Vorwerk erwarb die Lizenz zum Bau und zur Weiterentwicklung von Webstühlen. Insbesondere deren Steuerung durch Jacquard-Karten, einen Vorgänger der Computer-Loch­karte, sowie die Breite der darauf gewebten Teppiche verbesserte er systematisch. 
1904 vollzog sich dann ein entscheidender Wechsel in der Geschäftsleitung. Der erkrankte Carl Vorwerk legte die Verantwortung für das Unternehmen in die Hände seines Schwiegersohns August Mittelsten Scheid (1871 bis 1955), der fünf Jahre später »Vorwerk« als Warenzeichen für Teppiche eintragen ließ. Ihm folgten dessen Söhne Dr. Werner (1904 bis 1953) und Dr. Erich Mittelsten Scheid (1907 bis 1993) sowie Werners Sohn Dr. Jörg Mittelsten Scheid (geboren 1936), der Vorwerk & Co. von 1969 bis 2005 lei­tete.
In der Ära Mittelsten Scheid wächst die Barmer Teppichfabrik rasant. Der Bekanntheitsgrad der Marke »Vorwerk« reicht schnell über die bergische Region hinaus. Die Produktionszahlen steigen. Neue Gebäude entstehen. Eine eigene Maschinenfabrik erweitert die Firmenanlagen. Bald kommen zusätzliche Fertigungsbereiche hinzu, die bis heute die Diversifizierung des inzwischen weltweit agierenden Unternehmens Vorwerk prägen. Parallel entwickeln sich auch die Vorwerk-Teppichwerke weiter zu einem führenden Hersteller in der textilen Bodenbelagsbranche. 1956 erwarb Vorwerk die vereinigten Smyrna-Teppichwerke und baute in Gehrden bei Hannover einen großen Produktionsstandort, der bis 1985 in Betrieb war. 1968 wurden die OKA-Teppichwerke in Hameln erworben – der heutige Standort der Hamelner Teppichwerke. Neben Teppichen und Teppichböden für Wohnungen konnten nun auch textile Bodenbeläge für den Objektbereich hergestellt werden. 1994 wurde die Herforder Teppichfabrik erworben, die aber das Geschäftsvolumen nicht dauerhaft er­höhen konnte.
Ein weiterer innovativer Schritt war im Jahr 2010 zu verzeichnen – die Entwicklung des selbsthaftenden Fliesenrückens. Dadurch war Vorwerk in der Lage, Teppichfliesen in Freiform zu entwickeln, deren neuartige Rückenbeschichtung ein rutschsicheres Ver­legen auf Glattbelägen ermöglichte. 
Im Januar 2014 übernahm das Unternehmen die Norddeutsche Teppich­fabrik in Geesthacht, die mit ihrer ­Marke »Nordpfeil« stark auf den Großhandel ausgerichtet war. Ziel des damaligen Geschäftsführers der Vorwerk Teppichwerke, Johannes Schulte, war es, dass mit einer klaren Zweimarkenstrategie und einer fokussierten Be­arbeitung die guten Potenziale der Marken »Vorwerk« und »Nordpfeil« eigenständig am Markt positioniert blieben; was jedoch leider in den Folge­jahren nicht gelang.

Management-Buyout
Im September 2020 hat der Vorwerk-Konzern mit dem Management-Team der Vorwerk Teppichwerke das sogenannte Closing des Management-Buy-outs vollzogen. Seitdem haben Tobias Arnold und Martin Multhaupt die »­Zügel in der Hand«.
Anfang 2022 ­wurde das Unternehmen in Hamelner Teppichwerke umbenannt. Um den Bezug zur lizensierten Marke herzustellen, finden die Geschäfts­tätig­keiten nach wie vor unter »Vorwerk flooring« statt; dies soll jedoch offiziell zum 1. Januar 2024 ebenfalls angepasst werden. Ab diesem Tag ­werden die Hamelner voraussichtlich ihr neues Corporate Design in den Markt einführen, bei dem das Thema »Vorwerk« suk­zessive in den Hintergrund tritt. Dann wird auf sämtlichen Do­kumenten und Präsen­tatio­nen das neue Logo der Hamelner Teppich­werke ­stehen mit dem Verweis auf die beiden fokussierten Marken »Vorwerk« und »Nordpfeil«.

Vorwerk und die Kunst
Mit dem Wandel der Gesellschaft, mit der veränderten Art, Dinge zu produzieren, begann Ende der 1980er Jahre für Vorwerk eine Experimentierphase. Statt auf historische Muster setzte Dr. Peter Littmann, der damalige Geschäftsführer der Vorwerk Teppichwerke, kompromisslos auf Moderne und auf Gegenwart.
Littmann bewegte beinahe 50 inter­national bekannte Künstler, Designer und Architekten dazu, Entwürfe für den Teppich zu liefern. Als Kunstsammler und -kenner gelang es ihm unter anderem, Sam Francis und Michael Graves, Coop Himmelblau, David Hockney und Roy Lichtenstein, Jean Nouvel, Ettore Sottsass, Rosemarie Trockel und Zaha Hadid für das Projekt »Dialog Art« zu gewinnen, das 1989 im Deutschen Archi­tek­tur-Museum in Frankfurt am Main und im Centre Pompidou in Paris ausgestellt wurde. Unter dem Titel »Bodenreform« erschienen drei Begleitbände. Ergänzend folgten Kollektionen mit Entwürfen von Meistern des Jugendstils und von Designerinnen am Bauhaus.
Als 2007 Gerhard Richters Kölner Domfenster eingeweiht wurde, lag zu Füßen der Betrachter kein roter, sondern ein ebenso vielfarbiger Richter-Teppich aus der ersten Vorwerk-»Dialog«-Kol­lek­tion, der das vermeintlich zufällige Spiel der Farben auf dem Boden fortführte. Das Besondere zum 140-jährigen Bestehen: Der Gerhard-Richter-De­signer-Teppich mit seinen 1024 ­Farben, den der Künstler im Jahr 1988 ent­worfen hat und aus der ersten Vorwerk-»Dialog«-Kollektion stammt, wird unter der Marke »Vorwerk« neu aufgelegt und somit Teil einer neuen Kollektion.

Vorwerk und die Nachhaltigkeit
Bereits Anfang der 1990er Jahre hat das Unternehmen den Nachhaltigkeitsgedanken in der Teppichherstellung verankert und entlang aller Wertschöpfungsketten umweltfreundlich ausgerichtet. Denn hier ist nicht nur das Logo grün, sondern auch die Produkte sowie die Produktion, aus der sie kommen. Der hohe Materialeinsatz für die Herstellung der gewünschten Qualität in Form von Rohstoffen oder die Energie für die Versorgung der Produktion haben bereits sehr früh zu einem Umdenken im gesamten Herstellungsprozess geführt. So ist Vorwerk flooring bestrebt, Rohstoffe möglichst lokal zu beziehen, um lange Transportwege zu minimieren. Die anschließende Produktion ist möglichst ressourcenschonend ausgelegt. Darüber hinaus werden überschüssige oder alte Ma­te­ria­lien konsequent wiederverwertet. So betreibt Vorwerk seit den frühen 1990er Jahren eine eigene Recyclinganlage, in der bis zu 300 Tonnen Teppichabfälle pro Jahr wiederaufbereitet und der Produktion erneut zu­geführt werden.
Die Verwendung dieses eigens her­gestellten Recyclats ist ein wertvoller Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Vorwerk flooring sieht es als seine Verpflichtung an, zukünftig Produkte aus nahezu vollständig recyceltem Ma­te­rial zu entwickeln, die sich auch als Kreislaufprodukt wiederholt einsetzen lassen – und das bei minimaler Er­zeugung von neuen Abfallstoffen. Vorwerk flooring möchte dies so CO₂-neutral wie möglich realisieren. Neben dieser ökologischen Komponente bestimmen auch soziale und ökonomische Aspekte die ganzheitliche Ausrichtung von Vorwerk flooring.

Und dann wurde gefeiert ...
Die Gäste hatten am Nachmittag die Gelegenheit, an einer Werksbesichtigung teilzunehmen. 
Am Abend hatte das Unternehmen in das Restaurant Monopol am Klütturm in Hameln geladen, um mit allen Gästen das 140-jährige Bestehen von Vorwerk flooring zu feiern. Aus 260 Metern Höhe konnte man von dort aus auf die historische Altstadt mit ihrer geschichtsträchtigen Architektur blicken. Die gesamte Feier mit Fotos zu dokumentieren, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. Darum zeigen wir nur einige Impressionen.

Sabine Langanke

Der Fünf-Punkte-Plan für die Zukunft
1. Vorwerk flooring wird als Beitrag zum Schutz des Klimas neben den technischen Maßnahmen zur Reduzierung der CO₂-Emissionen auch zusätzliche Kompensationsmaßnahmen leisten. Das Unternehmen bezieht seit 2020 grünen, CO₂-neutralen Strom aus Wasserkraft. Ein weiterer Energieträger, der verwendet wird, ist Ferndampf.
Die durch die Erzeugung des Dampfes entstandenen CO₂-Emissionen werden mit »ClimatePartner« zu 100 Prozent durch die Unterstützung des Projekts »April Salumei« im Regenwald von Papua Neu­guinea kompensiert. Damit leistet Vorwerk flooring einen wichtigen Beitrag zu den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs). In diesem Zusammenhang kompensiert Vorwerk flooring auch zu 100 Prozent die durch Reisetätigkeit (Flugzeuge, Kraftfahrzeuge) angefallenen CO₂-Mengen.
2. Vorwerk flooring ist dank seiner Nähe zum Energieversorger in der Lage, auf die Nutzung von fossilen Energieträgern zu verzichten. So wird bereits ein Kreislaufsystem zur Energienutzung angewendet. Aus den Wertstoffen wird Dampf erzeugt, welcher dann wiederum als Energieträger für die Pro­duk­tions­anlagen genutzt wird. Auf diesem Weg verbraucht Vorwerk flooring lediglich 21 g CO₂/kWh, während der Branchendurchschnitt 260 g CO₂ beträgt. Diese 21 g CO2/kWh gleicht Vorwerk flooring durch Kompensationsmaßnahmen aus und produziert damit CO₂-neu­tral.
3. Das von der Firma Aquafil her­gestellte, zu 100 Prozent recycelte »Econyl«-Garn trägt dazu bei, Rohstoffe zu schonen und bis zu 80 Prozent an CO₂-Emissionen im Vergleich zu herkömmlich hergestellten Garnen einzusparen. Vorwerk flooring ist bestrebt, den Anteil an »Econyl«-Garnen in seinen Kol­lek­tio­nen stetig zu erhöhen, um hiermit einen wertvollen Beitrag zur Verringerung der Klimaerwärmung zu leisten. Des Weiteren setzt Vorwerk flooring für die Akustikfliesen »SL SONIC« Zweitrücken aus PET-Recyclat ein und erhöht damit den Anteil an recycelten Inhaltsstoffen.
4. Solution-dyed-Garne werden während der Faserproduktion durch die Zugabe von Farbpigmenten gefärbt, die damit unauslösbar in die Faser eingebracht sind. Aufgrund dieser Produktionsweise sind die lichtechten Fasern gegen UV-Strahlung und Alterungsvergilbung geschützt sowie resistent gegen chlorhaltige und desinfizierende Reinigungsmittel. Sie behalten ihre Farbintensität und weisen Schmutz ab. 
5. Durch den Einsatz der Wärmerückgewinnungsanlage in der Kufenfärberei ist Vorwerk flooring in der Lage, die Abwärme der Kufen dazu zu nutzen, um Prozesswasser aufzuheizen. Somit entfallen lange Aufheizzeiten und Dampfenergie wird eingespart.

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