22.08.2023 | Recht am Bau Seite 84-85 in Ausgabe 5/2023

Interessante Fälle aus der Rechtsprechung

Aus realen Fällen lernen!

Der 1. Fall kommt aus der Baupraxis. Hier kommt es immer wieder vor, dass in einem Terminplan oder im Verhandlungsprotokoll nur Circa-Angaben gemacht werden. Dann ergibt sich die Frage, ob durch diese Circa-Termine Vertragsfristen verbindlich vereinbart sind.
Das verneint das OLG Hamm in einem Beschluss vom 7. September 2021 zu Recht. Dies ist ständige Rechtsprechung und wird zum Glück für die Auftragnehmer immer wieder durch die Auftraggeber falsch gemacht. Eine verbindliche Fertigstellungsfrist ist nur vereinbart, wenn es sich um eine nach dem Kalender bestimmbare Frist handelt. Hierzu reichen Circa-Angaben nicht aus.
In diesem Fall war es so, dass dies im Verhandlungsprotokoll gestanden hat. Im weiteren Verlauf hat dann der Auftraggeber Terminpläne mit kalendermäßig bestimmten Fristen übersandt. Mit der Frage, ob die Terminpläne mit den bestimmten Fristen, die erst nach Vertragsschluss versandt wurden, verbindliche Vertragsfristen darstellen, hat sich das OLG ebenfalls befasst. Dies wird in der Baupraxis oft so durch den Auftraggeber praktiziert, indem man bei Vertragsschluss nur Circa-Angaben macht und nach Vertragsschluss dann verbindliche Fertigstellungstermine benennt.
Hierzu muss man als Handwerker und Bauunternehmer wissen, dass der Auftraggeber nach Vertragsschluss kein einseitiges Recht zur Fristbestimmung hat. Das meinen jedoch viele Handwerker bzw. Bauunternehmen. Vielmehr darf der Handwerker und Bau­unter­nehmer zu solch einseitig ge­setzten Fristen nicht schweigen. Denn in dem Fall wäre bei Übersendung neuer Fertigstellungstermine durch den Auf­trag­geber rechtlich ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben anzunehmen. Der Handwerker bzw. Bauunternehmer muss nunmehr handeln und diesen Fertigstellungsfristen nach Vertragsschluss auf jeden Fall widersprechen.
Es bietet sich an, nicht nur einfach einen Widerspruch gegen diese Termine zu erheben, sondern als Handwerker bzw. Bauunternehmer selbst Termine vorzuschlagen, die jedoch nur Circa-Angaben enthalten sollten. Denn wenn man als Handwerker bzw. Bauunternehmer hingeht und kalendermäßige Fertigstellungsfristen selbst benennt, so gerät man durch Überschreitung dieser selbst gesetzten Termine sofort in Verzug. Das muss jedem Auftragnehmer klar sein. Deshalb sollte sich der Handwerker bzw. Bauunternehmer nie selbst die Schlinge um den Hals legen, sondern immer dem durch den Auftraggeber nach Vertragsschluss einseitig gesetzten Fertigstellungtermin widersprechen und dann seinerseits mit Circa-Angaben zur Fertigstellung antworten.
Hier war es so, dass alle Fristen abgelaufen waren und die Arbeiten fünf Monate gedauert haben. Der Auftragnehmer hat Restwerklohn geltend gemacht. Dagegen hat der Auftraggeber die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen einer zweimonatigen Verspätung der Fertigstellung erklärt.
Das OLG Hamm billigte dem Auftragnehmer seinen Restwerklohnanspruch zu und verneinte den Schadensersatzanspruch des Auftraggebers.

Auch der 2. Fall ist praxisrelevant, da er die Frage aufwirft, ob der feh­lende Eintrag in die Handwerksrolle ein Verstoß gegen das Schwarzarbeitsgesetz darstellt. Hier geht es um § 1 Abs. 2 Nr. 5 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG), der zur Nichtigkeit eines Vertrages gemäß § 134 BGB wegen fehlender Eintragung in die Handwerksrolle führt. Es muss für jedermann klar sein, dass ein Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz immer die Nichtigkeit des Ver­trages gemäß § 134 BGB zur Folge hat. 
Die Fülle der Gerichtsurteile bezieht sich überwiegend auf die Verletzung von Steuerpflichten der beiden Par­teien, da meistens Umsatzsteuer als auch Einkommensteuer hinterzogen werden.
Hier ging es um den Fall, dass ein Bauherr einen Fliesenleger beauftragte, die beiden Bäder seines Hauses im Erd- und Obergeschoss zu sanieren. Auftragsvolumen immerhin 40 000 Euro. Nach der Sanierung des Bades im Erdgeschoss kommt es zwischen den Parteien zum Streit. Der Bauherr kündigt den Vertrag und bezieht sich da­rauf, dass dieser nichtig gemäß § 134 BGB ist, weil der Unternehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unstreitig nicht in der Handwerksrolle eingetragen gewesen ist. Dies hat der Bauherr aber erst zum Zeitpunkt der Kündigung herausgefunden.
Da der Bauherr nicht zahlt, verlangt der Fliesenleger eine Sicherheit gemäß § 650f BGB, die der Bauherr jedoch
mit Hinsicht auf das Schwarzarbeits­bekämpfungsgesetz verweigert. Das OLG Frankfurt führt mit Beschluss vom 6. März 2023 aus, dass hier kein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 5 Schwarz­arbeits­bekämpfungs­gesetz vorliegt, weil der Vertragspartner von der fehlenden Eintragung in die Handwerksrolle bei Vertragsschluss keine Kenntnis hatte. Die Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass der Auftraggeber auch Kenntnis davon gehabt haben muss und diesen Gesetzesverstoß ausgenutzt hat.
Ein kleiner Tipp am Rande: Der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz wird von Amts wegen berücksichtigt. Der Berufung einer Partei hierauf im Prozess bedarf es nicht. Das OLG Düsseldorf nimmt bei Bargeld­zahlungen ohne Quittungen an, dass es sich um eine Schwarzgeldabrede handelt. Deshalb kann vor Gericht die Angelegenheit nach hinten losgehen, wenn man weder einen Vertrag noch eine Zahlung auf dem Konto bei Abschlagszahlungen nachweisen kann und nunmehr versucht, seinen Restwerklohn einzuklagen.

Der 3. Fall behandelt das Widerrufsrecht des Verbrauchers, was mittlerweile in der Rechtsprechung vermehrt auftritt. Hier ging es um drei Verträge, die mündlich auf der Baustelle geschlossen wurden. Über das Widerrufsrecht wurde der Verbraucher nicht schriftlich belehrt. Der Handwerker erbringt Leistungen und der Verbraucher leistete Abschlagszahlungen in Höhe von 7000 Euro. Es kommt zum Streit. Der Verbraucher geht hin und erklärt den Widerruf aller drei Ver­träge und fordert seine Abschlagszahlung zurück. Der Unternehmer seinerseits fordert im Wege der Widerklage die offene Restvergütung aus den drei Verträgen.
Das OLG Karlsruhe gibt in seinem ­Beschluss vom 14. April 2023 dem ­Verbraucher recht, da hier Außer-­Geschäftsraum-Verträge im Sinne des § 312b BGB geschlossen wurden. In dem Zusammenhang hat das Gericht ausdrücklich festgestellt, dass der Unternehmer für seine Leistung weder Vergütung noch Wertersatz vom Verbraucher beanspruchen kann.
Weiter war in dem Zusammenhang unerheblich, dass es sich bei zwei der Verträge um sogenannte Nachtragsaufträge gehandelt hat. Wenn solche weiteren Verträge auf der Baustelle geschlossen werden, so besteht auch hier ein Widerrufsrecht zugunsten des Verbrauchers, über das der Unternehmer schriftlich belehren muss.
Mithin muss ein Handwerker bzw. Bauunternehmer auch in der laufenden Vertragsdurchführung bei Zusatzaufträgen mit einem Verbraucher immer an die Widerrufsbelehrung denken! Ansonsten erleidet er Schiffbruch, was unschöne finanzielle Auswirkungen hat, die man jedoch vermeiden kann.

Carsten Seeger

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