25.09.2019 | Personalmeldungen Seite 24 in Ausgabe 10/2019

Katja Krater: Der »Halo-Effekt«

In seinem Buch »Thinking fast and slow« deckt Daniel Kahneman auf, wie irrational Menschen entscheiden und welche Heuristiken diesen Prozess beeinflussen. Die gelungene Personalauswahl ist das entscheidende Erfolgsinstrument, um sich vom Wettbewerber abzugrenzen. Nimmt man die Unterstützung von einem Personalberater in Anspruch, findet eine professionelle Vorauswahl der Kandidaten statt, und insofern sieht der Entscheider direkt eine gefilterte Gruppe, eine sogenannte Positiv-Selektion. Nun gilt es, aus diesen Kandidaten den richtigen herauszufiltern. Sind die Instrumente, wie beispielsweise das Interview, nur unzureichend, tritt der Beurteiler oder Entscheider in den Vordergrund. Dieser unterliegt Beobachtungsfehlern, und ich möchte Sie zu diesem Thema sensibilisieren.
Beobachtungsfehler sind Phänomene vor allem aus dem Bereich der Sozialpsychologie. Sie sind nicht auszuschließen, da die Beobachter oft das sehen, was sie glauben wollen oder können. Insofern funktionieren Beobachtungs- und später Beurteilungsfehler wie ein blinder Fleck. Der führende Schweizer Soziologe Peter Atteslander formulierte das beschriebene Phänomen in folgendem Satz: »Wir glauben eben nur, was wir sehen, leider sehen wir nur, was wir glauben wollen!«
Also ist es Zeit, Ihnen die wichtigsten Fallstricke beginnend mit einem in der Beurteilung vorzustellen: Der sogenannte Halo-Effekt wird auch Überstrahlungseffekt genannt. Wie ein Heiligenschein überstrahlt eine Eigenschaft den Gesamteindruck der Person. So machen uns beispielsweise sehr redegewandte Personen glauben, sie seien sehr intelligent und flexibel.
Dieser Schluss ist jedoch nicht zulässig. Gerade der Vertrieb hat eine Scheinsprache entwickelt, ähnlich der Politik. Da wird gesprochen, ohne etwas zu sagen. Dieser »Hohlsprech« verwendet oft abstrakte Schlüsselworte, ohne sie näher zu erklären. Da wird von hohem Engagement, Einzigartigkeit und guter Qualität gesprochen. Wer würde da schon opponieren? Wichtig wäre an dieser Stelle nachzufragen, was die Person damit meint. Gehört zum hohen Engagement auch eine Verfügbarkeit 24/7 für den Kunden? Wie kann der Kandidat dann noch profitabel agieren? Oder ist demjenigen bewusst, dass er sich im Vertrieb in einem permanent widersprüchlichen Kontext befindet, denn der Vertriebler muss einerseits freundlich und zugewandt sein, aber andererseits auch zum Abschluss kommen und den bestmöglichen Preis erzielen. Das gelingt ihm bei einer überbordenden Kundenbetreuung eben nicht.
Gegen den Halo-Effekt anzugehen macht eigentlich keinen Spaß, denn wir möchten gern bestätigt sehen, was zum Gesamteindruck oder zur hervorstechenden Eigenschaft passt. Allerdings kann ich Ihnen nur zur Prüfung raten. Die Erfahrung zeigt, dass ein nicht erkannter Halo-Effekt sich schnell ins Gegenteil verkehrt. Stimmen die Zahlen nicht oder wird der Druck höher, wird ein redseliger Kollege zum Dampfplauderer und wird nicht mehr ernst genommen. Genau betrachtet, wäre das abzusehen gewesen, doch der Halo-Effekt hatte den Entscheider »blind« gemacht. Die Enttäuschung ist dann beim Entscheider schwer zu ertragen – ist die Täuschung des Gegenübers doch offensichtlich.
Und wer hat hier den Fehler gemacht? Diese Frage ehrlich zu beantworten, verdeutlicht die Verantwortung des Beurteilenden. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen genügend Zeit und Tiefe, zukünftige Mitarbeiter kennenzulernen.

Herbstliche Grüße, Katja Krater

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