VDPM: Gipsversorgung gefährdet
Das Kohleausstiegsgesetz (KVBG) sieht ein Ende der Kohleverstromung bis spätestens 2038 bzw. optional schon bis 2035 vor. Dadurch wird sich das Angebot an REA-Gips, welcher als Nebenprodukt der Kohleverstromung entsteht, massiv verknappen und letztendlich komplett ausbleiben. Ein nochmaliges Vorziehen des Kohleausstiegs bis »idealerweise 2030«, wie im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vorgesehen, würde das REA-Gips-Angebot, welches derzeit ca. 40 Prozent des Rohstoffbedarfs deckt, noch schneller reduzieren. Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) und der Bundesverband der Gipsindustrie (BVG) fordern Bund und Länder daher zum Handeln auf.
Der Vorstandsvorsitzende des VDPM, Christoph Dorn, erklärt: »Fehlender Gips wird die Wohnungsbaupläne der Bundesregierung platzen lassen. Wir müssen dringend mehr Naturgips abbauen, andernfalls entsteht eine Versorgungslücke. Dafür braucht es die Unterstützung der Politik.« Denn vor dem Hintergrund der im Koalitionsvertrag vereinbarten ambitionierten Ziele im Wohnungsbau (400 000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr), steigender energetischer Modernisierungen sowie des Ausbaus und Erhalts der Infrastruktur und erneuerbarer Energien wird der Rohstoffbedarf der gipsverarbeitenden Industrien bis 2040 realistisch mindestens auf dem hohen Niveau von rund 10 Mio. Tonnen verbleiben.
Naturgips könnte Lücke schließen
Aufgrund seiner besonderen bauphysikalischen Eigenschaften und der einfachen Verarbeitbarkeit lässt sich Gips nicht wirtschaftlich sinnvoll durch andere Baustoffe ersetzen. Um die Versorgung mit Gips als Schlüsselbaustoff für kostengünstigen und zugleich hochwertigen Wohnungsbau weiterhin sichern zu können, muss in Konsequenz wieder mehr Naturgips abgebaut werden. Dieser ist laut Bestandsaufnahme der Staatlichen Geologischen Dienste hierzulande in großen Mengen vorhanden. Könnten diese Vorkommen umweltschonend erschlossen werden, ließe sich die Versorgungslücke langfristig schließen. Häufig wird die inländische Rohstoffgewinnung jedoch erschwert oder verhindert. Im Bericht heißt es dazu wörtlich: »Im Vorfeld einer industriellen Nutzung sind Bund und Länder gefragt, die Erkundung neuer Gipslagerstätten zu befürworten und aktiv zu unterstützen.« Auch eine umfangreiche Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz hat ergeben, dass die Versorgung mit Gipsrohstoffen über die nächsten 25 Jahre und darüber hinaus gefährdet ist. Demnach kommt EY zu der Handlungsempfehlung, dass im Rahmen des Wegfalls von REA-Gips wieder verstärkt Primärrohstoffe in Form von Naturgips eingesetzt werden müssen.
Recycling-Gips reicht nicht aus
Gipsbaustoffe können grundsätzlich immer wieder recycelt werden – die Industrie führt derzeit alle verfügbaren Mengen wieder der Kreislaufwirtschaft zu. Dennoch kann Recycling-Gips die entstehende Lücke in der Rohstoffversorgung auf absehbare Zeit nicht füllen. Das liegt vor allem an der begrenzten Menge recycelbarer Gipsabfälle. Um die Potenziale des Gips-Recyclings zu heben, muss die Bundesregierung nach Ansicht der Industrie die dringend notwendige Rechtssicherheit für den Einsatz von Recycling-Gips herstellen. Aber selbst wenn diese Hürden gesenkt werden, würde dies mengenmäßig nicht ausreichen, um den Wegfall von REA-Gips zu kompensieren. Auch andere Baustoffe, wie beispielsweise Lehm, der gleichermaßen im übertägigen Abbau gewonnen wird, können den Bedarf nicht decken, wie eine Studie der Hochschule Rosenheim belegt. BVG-Vorsitzender Thomas Bremer sagt dazu: »Nun attestieren auch unabhängige Gutachter, dass die langfristige Versorgung mit unseren Gipsrohstoffen gefährdet ist und bestätigen, dass in Zukunft mehr Naturgips eingesetzt werden muss. Die Problemlage ist erkannt, nun müssen politische Taten folgen.«
Konkrete Forderungen
Die Industrie fordert daher von jenen Bundesländern, in denen es nachweislich Naturgipsvorkommen gibt, eine bedarfsunabhängige sowie langfristige Ausweisung neuer Flächen für die Naturgipsgewinnung in der jeweiligen Raumordnung. Die grundsätzliche Ausweisung von Flächen für die Gewinnung von Naturgips unter Tage durch die Berücksichtigung in der Raumordnung wird ebenso verlangt wie feste Regelungen für die umweltverträgliche Gewinnung von Gipsgestein auch in – für die Förderung der Biodiversität sinnvollen – Teilbereichen von Schutzgebieten. Nicht zuletzt wird um die Fortschreibung der notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen ersucht.
Höchste Umweltstandards
Naturgips/-anhydrit ist technisch wie ökonomisch grundsätzlich gut erschließbar. Beim Abbau gelten in Deutschland schon jetzt weltweit die höchsten Umweltstandards und Vorgaben. Die Industrie geht bei ihren Aktivitäten oft über dieses Niveau hinaus und setzt konsequent auf hochwertige Rekultivierung und Renaturierung der Abbauflächen. Steinbrüche sind aus Sicht des NABU (Naturschutzbund Deutschland) wertvolle Ersatzlebensräume für bedrohte Pflanzen- und Tierarten. Bereits während des laufenden Gewinnungsbetriebes bieten sie Lebensräume für angepasste Artengruppen der Insekten, Amphibien, Reptilien und Vögel. Diese Prozesse werden von den Gipsherstellern in wissenschaftlich begleiteten Biodiversitätsprojekten fachlich gestützt. Die Naturgipsgewinnung und die Ziele des Naturschutzes lassen sich so harmonisch in Einklang bringen.

